mit Grete, Hans und Birke
Viele Jahre sind ins Land gegangen, seit Hänsel und Grete aus dem tiefen dunklen Wald entkamen. Inzwischen sind sie groß, man nennt das auch: erwachsen. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn immer noch, erneut fühlen sie sich ausgesetzt. Sie haben zwar studiert, sind Maler und Schauspielerin geworden, Forschende, Japanologin und Singer Songwriter, Umweltaktivistin, Philosoph, Dichterin, haben Theater gesehen und gemacht. Aber sie haben ein wenig den Anschluss verloren. Nun machen sich Grete und Hans wieder auf den Weg, zurück in ihre Geschichte. Sie wollen dem nachspüren, was sie, Happy End und Zuckerhäuschen hin oder her, einst im Wald verloren zu haben glauben. Sie begeben sich frisch geimpft und auf wackligen Füßen auf Spurensuche. Was könnte helfen, die Welt im Innersten zusammenzuhalten? Ihr provisorischer Plan: Sie müssen sich dem Trauma stellen, so banal es auch klingt, und zurück zur Natur. So packen sie einen etwas unbeholfen bestückten Werkzeugkoffer ein - und beginnen erst mal mit dem Dichten von japanischen Haikus. 5 Silben, 7 Silben, 5 Silben. Vielleicht ist es ja so einfach...?
Vor dem Erleben der Verletzlichkeit des Menschen durch ein winziges Virus, geimpft, aber zugleich immer noch mitten in Corona und somit auf leicht wackligen Berufsbeinen, hat Theater M21 sich mit dem Thema Natur und zum Beispiel mit der Weisheit des japanischen WABI SABI beschäftigt. Ursprünglich bedeutet Wabi sich elend, einsam und verloren zu fühlen. Dies wandelte sich zur "Freude an der Herbheit des Einsam-Stillen", wie es auf Wikipedia steht. Aber erst in der Verbindung mit Sabi, alt sein, Patina zeigen, entsteht die Begriffseinheit WABI SABI.
AUSGESETZT ist der Versuch, mal wieder auf einer Bühne der eigenen Zerbrechlichkeit nachzuspüren. Und inwiefern hat auch unser Begriff und Begreifen von Natur Patina angesetzt, ist invalid geworden und muss neu befragt und bestimmt werden? Woher nehmen wir dazu die Kraft? Aus der Kunst? Aus der Natur selbst? Aus der Sprache?
Mit der Performance „Ausgesetzt – ein Stück Natur mit Grete, Hans und Birke“ nach dem Text von Nicola Bongard stellt das Theater M21 die Natur in den Fokus. Am Donnerstagabend gab es im Theaterhaus langen Applaus für die Premiere, bei der Joachim von Burchard Regie geführt hat……….Sie malen, dichten und suchen Antworten in Kunst und Literatur. Mit Bohrmaschine und Nägeln reparieren sie die Birke, bessern mittels Glitzerfarbe kaputte Stellen aus und befestigen lose Zweige mit schwarzem Klebeband am Baumstamm. Sie dabei zu beobachten, macht besonders viel Spaß – auch, weil Imme Beccard und Andreas Klumpf ihre Rollen sehr überzeugend spielen………Schlussendlich finden die beiden im Wald nicht die gewünschte Antwort. Also reisen sie zum Mars – vielleicht hilft ja ein Perspektivwechsel……………..„Ausgesetzt“ stellt aktuelle Fragen auf eine philosophische und humorvolle Art in den Fokus und bietet damit ein kurzweiliges Theatererlebnis.
Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 10.09.2021